Desastrum! Unsterne und andere Unannehmlichkeiten.
Die bereichernde Lektüre von Byung-Chul Han’s „Agonie des Eros“ hat mich inspiriert, den Unsternen dieser Welt, unseres Planeten und seinen Lebewesen noch intensiver zu begegnen:
„Heute kann allein eine Apokalypse uns aus der Hölle des Gleichen zum Anderen hin befreien, ja erlösen. So beginnt Lars von Triers Film Melancholia mit der Ankündigung eines apokalyptischen, desaströsen Ereignisses. Desaster heißt wörtlich Unstern (lat. des-astrum). Am nächtlichen Himmel auf dem Anwesen ihrer Schwester entdeckt Justine einen rötlich schimmernden Stern, der sich später als ein Unstern erweist. Melancholia ist ein desastrum, mit dem das ganze Unheil seinen Lauf nimmt. Es ist aber ein Negativ, von dem eine heilende, läuternde Wirkung ausgeht. Melancholia ist insofern ein paradoxer Name, als der Planet gerade eine Heilung von der Depression als einer besonderen Form der Melancholie herbeiführt. Er manifestiert sich als der atopische Andere, der Justine aus dem narzisstischen Sumpf herausreißt. So blüht sie angesichts des todbringenden Planeten förmlich auf.“
2022 habe ich den Drohnenpilotenschein gemacht, was mir erlaubt, die Welt aus weiteren Blickwinkeln zu erforschen, dem bewegten Bild, Soundwelten und Fotografie mehr Platz zu geben.
Eine Islandreise im Mai/Juni 2022 war der Auftakt für die neuen Videoinstallationen und Fotomontagen: fast menschenleere Natur, Flora und Fauna, das virtuose Wetter aber auch die Erderwärmung in Form von Gletscherschmelzen. Das Endzeitgefühl meiner Kindheit ist wieder da. Der zweite Weltkrieg und die Shoah steckten als Trauma in meinen Eltern, der „Grosse Krieg“ kam bei den Grosseltern noch hinzu. Oft hörte ich die Militärübungen im niedersächsischen Munster und war jeweils unsicher, ob das jetzt Ernst oder „Spass“ ist. Spazieren auf der Autobahn war allerdings ein grosser Spass. Der Club of Rome veröffentlichte seine Apokalypse, als ich sechs Jahre alt war. Ein ungutes Lebensgefühl. Jüngst las ich „Factfulness: Wie wir lernen, die Welt so zu sehen, wie sie wirklich ist“ von 2018. Seither haben sich Fakten und deren „Alternativen“, wieder verändert. Es sind „Kipppunkte“ entstanden. In künstlerischer Hinsicht beschäftige ich mich mit genau diesen Punkten, die Systeme ins Wanken bringen.
Der zerstörerische Eingriff des Menschen in die Natur und in das friedliche Zusammenleben auf unserem Planeten sind mein heutiges Thema. Dahinter stehen Fragen. Wie wollen wir zusammenleben? Was steht in unserer Macht? Was können wir nicht (mehr) ändern? Was sind die Konsequenzen für mein Leben und Verhalten?
Ich lade Sie herzlich ein, sich zu diesen und Ihren eigenen Fragen durch die Arbeiten anregen zu lassen.